Bereits 2022 haben hunderte Handwerks- und Produktions-, Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe auf Instagram mit dem Hashtag #4tagewoche für die Mitarbeit in ihrem Unternehmen geworben. 2023 sind diverse Krankenhäuser und Stadtverwaltungen dazugekommen, die eine 4-Tage-Woche optional anbieten. Auch 2024 kommen täglich Firmen hinzu, die eine #3tagefreizeit anbieten. Wir reden über eine – meistens – reduzierte Arbeitszeit bei vollem Lohn. Das ist nicht Teilzeit! Die Arbeitszeitmodelle sind dabei sehr vielfältig: 39, 38, 37, 36, 35, 34, 32, 30 Stunden. Montags oder mittwochs oder freitags frei, all das ist unterschiedlich von Betrieb zu Betrieb.
In Deutschland praktizieren eine solche 4-Tage-Woche Mitte 2024 bereits rund 34.000 Firmen. Manche Menschen meinen 34.000 von 3,4 Millionen Unternehmen sei wenig. Ich finde die Zahl beeindruckend! Am meisten wird eine 4-Tage-Woche in Handwerksbetrieben in Bayern praktiziert. Auch in Österreich und der Schweiz wird die 4-Tage-Woche längst praktiziert.
Ob man sie einführt, ist eine unternehmerische Entscheidung, die auf Fakten basieren sollte. Deshalb habe ich mit Menschen gesprochen und die Erfahrungen von 151 Betrieben aus der D-A-CH-Region in einem Buch gesammelt, das im März 2023 erschienen ist und „4-TAGE-WOCHE“ heißt.
Erholung für Menschen und Umwelt mit 4-Tage-Woche
Die Wiener Firma Leithäusl spart 2022 durch die 4-Tage-Woche 72 Tonnen CO2. 160.000 Euro werden weniger für Sprit und Wartungskosten ausgegeben. Schaffen die 450 Mitarbeitenden weniger? Der Umsatz bleibt gleich. Hochgerechnet auf alle Unternehmen, bietet die 4-Tage-Woche ein enormes Potenzial im Klimaschutz. Hinzu kommen 20 Prozent weniger Abgase durch weniger Pendeln zur Arbeit und zurück nach Hause.
Die Erholung mit einer 3-Tage-Freizeit lässt Krankenstände in Unternehmen messbar sinken. Die Zahlen sprechen für sich. Mit weniger Arbeitszeit wird mehr gearbeitet, weil die Menschen gesünder sind. Das ist alles gut belegt. Wer mehr Produktivität will, bietet mehr Freiraum und Ruhephasen.
Beim Maschinenbaubetrieb Wenzel Group hat sich der Krankenstand seit Einführung der 4-Tage-Woche halbiert. „Das ist phänomenal gut“, findet Personalleiter Daniel Eisler, dessen Erwartungen deutlich übertroffen wurden.
Der Krankenstand in der GOEKELER Messtechnik GmbH liegt bei 0,5 %. 2020 wurde dort die 4-Tage-Woche mit 34 Wochenstunden Arbeitszeit eingeführt. Die Firma steht weltweit in der TOP 3 ihrer Branche. Der Inhaber Timo Gökeler schenkt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Zeit zur Erholung, für Familie und Hobbys, damit sie nicht ausbrennen. Einer seiner Kollegen engagiert sic in seiner gewonnenen Freizeit als ehrenamtlicher Trainer für den Nachwuchs im Fußballverein.
Am zusätzlichen freien Tag könne man den Akku ordentlich aufladen. Das sei gerade bei der schweren körperlichen Arbeit wichtig. Die Firma Leithäusl hat mit einer wissenschaftlichen Begleitung zur Einführung der 4-Tage-Woche herausgefunden, dass Menschen mit körperlich schweren Tätigkeiten besonders stark von einer 3-Tage-Freizeit profitieren.
Alles faule Couch-Potatos
Seit 5.000 Jahren gibt es Sprüche über „die faule Jugend“. 180 Generationen Schwarzmalerei über faule, unmotivierte junge Menschen. Ich muss jedes Mal lachen. Junge Menschen engagieren sich mehr als alle anderen Altersgruppen ehrenamtlich, und gleichzeitig haben sie auf bestimmte Formen von Arbeit – zu Recht – keinen Bock! Was sagt uns das? Unwilligkeit zu arbeiten? Eher nicht!
„Wenn wir nein sagen, sagen wir nicht nein zu Arbeit, Leistung und dem Unternehmen. Wir sagen nein zu veralteten Strukturen und Arbeitsmodellen und stehen ein dafür, dass Input ungleich Output ist!“, schreibt eine junge, engagierte Mitarbeiterin zum Vorwurf, nicht mehr arbeiten zu wollen.
„Einer meiner Antriebe zur 4-Tage-Woche ist die Liebe zu meinem Beruf“, erzählt die Unternehmerin Jana Koske: „Ich wünsche mir, mit derselben Energie wie heute auch noch in 10 und in 20 Jahren arbeiten zu können. Ich liebe meine Arbeit, ich arbeite richtig gerne. Auch meinen Sport liebe ich, und dennoch mache ich nicht täglich Sport. Ich liebe meine Arbeit so sehr, dass ich bis zur Rente volle Leistung bringen will. Um das aktuelle Leistungsniveau zu halten, brauche ich wie im Sport Ruhephasen.“
Eine 4-Tage-Woche ist eine clevere Art der Wertschätzung der Mitarbeitenden und eine Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit. Alle Betriebe berichten von mehr Motivation und guter Stimmung im Team.
Bewerbungen prasseln auf uns ein mit 4-Tage-Woche
Neben anderen positiven Wirkungen erleben 4-Tage-Betriebe einen messbaren Anstieg der Bewerbungen: „Bewerbungen prasseln auf uns ein“, „Von 4 auf 20 Fachkräfte gewachsen, und 25 auf der Warteliste“, „Vorher keine und jetzt 50 Bewerbungen“, so lauten die Berichte.
In einer 4-Tage-Woche wird in fast allen Unternehmen die Arbeitszeit reduziert. Aber das ist nicht der wesentliche Clou. Es geht nicht primär darum, weniger zu arbeiten, sondern anders, neu, effektiver, smarter. Es geht um ein Update der Geschäftsmodelle und der Arbeitswelt! Wie oft machen technische Geräte Updates? Und wie oft machen Unternehmen ein Updates der Prozesse, Fortbildungen, Tools und wie oft misten sie Überflüssiges und Störendes aus?
Menschen suchen Unternehmen mit einer gesunden Unternehmenskultur. Wer sie anbietet, bekommt mehr Bewerbungen. So einfach! Und so gut!
Jahrzehntelang gab es nur „Teilzeit“ als Ausnahme zur normalen „Vollzeit“. Doch ein „Teil“ vom Ganzen ist sprachlich nicht wertschätzend und wird der Leistung von Menschen nicht gerecht. In einer 4-Tage-Woche mit reduzierten Arbeitszeiten könnten Millionen Menschen in „Vollzeit“ arbeiten. Viele „Teilzeit“-Arbeitskräfte möchten mehr Zeit arbeiten, aber keine 40 Wochenstunden. Das IAB stellte 2023 heraus, dass 50% der Vollzeit-Arbeitskräfte in allen Altersgruppen (!) sich eine Reduzierung der Arbeitszeit um 5 bis 6 Stunden wünschen. Eine 32- oder 34-Stunden-Woche in einer 4-Tage-Vollzeit würde vielen Menschen ermöglichen entweder weniger zu arbeiten, um entlastet zu werden, oder mehr zu arbeiten, ohne sich zu überlasten. Die Teilzeitfalle, Teilzeitlöhne und Teilzeitrenten könnten gestrichen werden. Wer mehr arbeiten will, arbeitet „Vollzeit-Plus“. Noch ist das eine Vision.
Menschen sind auch die Inhaberinnen und Inhaber
Die Heizungs- und Sanität-Firma Gaßner praktiziert eine 4-Tage-Woche bereits seit 2018 in Denkingen. Die Chefin Aylen Bauser sagt: „Nicht vergessen, dass man selbst auch Mensch ist.“
In allen Gesprächen und in der Recherche zur 4-Tage-Woche hat mich der klare, ernst gemeinte Fokus auf den Menschen besonders beeindruckt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt der Überlegungen zur Veränderung: „Wie kann ich dafür sorgen, dass die Angestellten zufrieden sind und im Betrieb bleiben?“ „Mehr Lohn kann ich nicht zahlen, aber mehr Freizeit kann ich ihnen bieten.“ „Wie baue ich den Stress und die Überlastung ab?“ „Unsere Angestellten gehen auf dem Zahnfleisch, wir wollen dafür sorgen, dass sie gesund bleiben und ihre guten Leistungen noch lange bei uns bringen können.“
Im Ergebnis tut die umgesetzte 4-Tage-Woche auch der Firma gut. In Salzburg hat das Parkhotel Brunauer 2022 eine 4-Tage-Woche eingeführt. Nach einem Jahr berichtete mir der Geschäftsführer Manuel Uguet von einer Leistungssteigerung, die eindeutig messbar ist. Die 1.400 Bewertungen von Gästen des Hotels auf Google und Tourismus-Plattformen sind deutlich besser als vorher. Erholte Menschen sind entspannter. Die Gäste erleben einen besseren Service und schreiben bessere Bewertungen. Das bringt dem Hotel mehr Gäste und mehr Umsatz.
Häufig wird öffentlich gegen eine Arbeitszeitverkürzung der Vorwurf erhoben, die Wirtschaft ginge daran zugrunde. Das ist falsch! Was wäre, wenn umgekehrt eine 4-Tage-Woche zur Leistungssteigerung führen würde? Mehr Erholung = mehr Gesundheit = mehr Power = mehr Service = mehr Kunden = mehr Umsatz. Warum sollte es die Wirtschaft ins Unglück stürzen, wenn Menschen gesünder und leistungsfähiger werden? Darum muss es doch gehen und nicht um die Stundenzahl im Arbeitsvertrag. Unternehmen, die eine 4-Tage-Woche umsetzen, sind alle an Umsatz und Gewinn interessiert und realisieren das mit gesunden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Ich liebe unternehmerisch denkende und handelnde Menschen, die nicht an alten Modellen kleben, sondern Wege freischaufeln und erleben: Es geht!
So viele Arbeitszeit-Modelle wie Betriebe
Die 4-Tage-Woche wird immer passend zu der Branche, zum Unternehmen, Kunden und Beschäftigten umgesetzt. Daher gibt es fast 151 Modelle im Buch. 39, 38, 37, 36, 35, 34, 32, 30 Stunden. Montags, mittwochs, freitags frei. 4-Tage und 5-Tage-Woche in einem Betrieb.
Werde alle eine 4-Tage-Woche einführen? Die 4-Tage-Woche wird ein Modell von vielen sein. Ich denke, wir erleben gerade den Anfang einer kompletten Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Immer mehr Betriebe regeln Arbeit neu in enger Abstimmung mit den Beschäftigten. Und auch die Kunden sind begeistert!
Immer mehr Friseursalons öffnen dienstags bis freitags. Sie sind weiterhin profitabel. Mehrere Bäckereien öffnen 4 Tage die Woche, und weil ihr Brot und Kuchen so lecker schmecken, kaufen die Kunden an den 4 Tagen so viel wie vorher an fünf oder sechs Tagen. Sie sind weiterhin profitabel. Manche Sanitär- und Heizung-Handwerksbetriebe haben ein montags-frei- und freitags-frei-Team. So schaffen sie mit einer 4-Tage-Woche längere Service-Zeiten für Kunden. Umsatz und Gewinn gestiegen.
Das bedeutet, immer mehr Unternehmen passen die Arbeitszeiten individuell ans Geschäftsmodell, an die Kunden und die Beschäftigten an. Dieser Dreiklang führt zu passenden Arbeitszeiten. Und dann stellen sie fest: „Happy Mitarbeiter bringen happy Gäste“, wie mir die General Managerin vom 25hours Hotel in Köln, Grit Pauling sagt: „Geht nicht, ist Bullshit. Es muss anders koordiniert und gut kalkuliert werden. Für die positiven Effekte lohnt sich der Aufwand der Umstellung.“
Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Betriebe mit einer 4-Tage-Woche bleiben nicht stehen, sie sind längst dabei, ihre Modelle weiterzuentwickeln. Das bedeutet, während andere noch debattieren, ob es geht – und das häufig verneinen, gehen die Vorreiter-Betriebe bereits die nächsten Schritte.
Wer eine 4-Tage-Woche umsetzen möchte, kann dazu mit Firmen sprechen in der eigenen Region und Branche, die es bereits tun. Außerdem ist der wichtigste Schlüssel, frühzeitig die Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse einzubeziehen. Es gibt etliche Vorbehalte. Sind diese gelöst, wird die Veränderung begrüßt. Viele Betriebe bieten eine 4-Tage- und 5-Tage-Woche optional an.
F&P befragt ihre mehr als 180 Angestellten in Leipzig und in Selbitz regelmäßig. Damit Katharina Zander, Head of People & Culture, weiterhin weiß, wie die Stimmung ist, macht sie mit allen Teams alle 3 Monate eine Umfrage: „Wir haben die Umstellung im Vorfeld intensiv in den Teams begleitet, und auch künftig wird es Anpassungen geben, um auf die individuellen Bedürfnisse hinsichtlich der 4-Tage-Woche eingehen zu können“, sagt sie.
Mehrere Handwerksbetriebe haben mir erzählt, dass ihr mittelfristiges Ziel lautet: „Arbeiten, wann man will.“ Das ist anfangs eine Umstellung in der Planung und Koordinierung, bis es normal und etabliert ist.
Prozesse ausmisten für 4-Tage-Woche und Updates
Immer wirkungsvoll ist das Ausmisten der Prozesse. Überflüssige und bremsende Bullshit-Anteile werden gestrichen. Die SKS-Steuerberatung in Dresden und Berlin stellt nur noch zweimal pro Tag E-Mails zu. Das ist eine wirksame Servereinstellung. Drei Stunden pro Tag werden dort keine Anrufe durchgestellt. Von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 15 Uhr an vier Tagen von montags bis donnerstags gelten diese „Stillen Stunden“. Beide Maßnahmen erhöhen die Produktivität.
Der Elektro Handwerksbetrieb Edringer gibt iPads mit auf die Baustellen. Bei Änderungswünschen von Kunden werden diese auf den Baustellen im Foto markiert und vom Kunden vor Ort digital unterschrieben. Das ist eine extreme Zeitersparnis und beugt Missverständnissen vor. Zudem bekommen Kunden am Ende ein Fotoalbum mit dem Baufortschritt.
Die Bautrocknungsfirma von Rocco Funke hat die Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden reduziert bei gleichem Gehalt. Sie haben mit den Trocknungslöchern experimentiert und festgestellt, dass eine große Trocknung keine 64 Löcher braucht – wie der Standard es vorschreibt, sondern 32 Löcher dieselbe Wirkung erzielen. Die Hälfte der Arbeit gespart.
Die 4-Tage-Woche ist eine Möglichkeit, neue Wege zu gehen. Es ist keine einmalige Entscheidung, sondern sie stößt einen kontinuierlichen Prozess an.